Mit dem Verschwinden des ikonischen Jaguar-Kopfes auf Kühlergrill und Motorhaube endet für Jaguar eine Ära. Der britische Luxushersteller präsentiert sich mit minimalistischem Lowercase-Logo, Primärfarben und einem universellen Strikethrough-Element als Designcode seiner neuen visuellen Identität.
Eine radikale Transformation, die nicht nur das Ende der Verbrennungsmotoren bei Jaguar markiert, sondern auch einen kompletten Reboot der Markenidentität darstellt. Der Preis für diesen Modernisierungsversuch könnte für Jaguar Land Rover jedoch deutlich höher sein als die Kosten für Entwicklung und Implementierung des Brandings: Der Verlust einer der markantesten visuellen Markenidentitäten im Premium-Automobilsegment.
Neue Strategie: Doppelter Preis. Halbe Identität!
»It wasn’t always distinctive enough in the last decade«, begründet Adrian Mardell, CEO von Jaguar Land Rover, den radikalen Schritt. Die 2021 entwickelte Strategie soll die Marke im Luxussegment neu positionieren – mit elektrischen Fahrzeugen, die preislich etwa das Doppelte der aktuellen Modelle kosten werden.
Laut Jaguar Managing Director Rawdon Glover zielt man dabei auf ein völlig neues Publikum: 80-90% der künftigen Käufer sollen Neukunden sein – “independently minded, younger, wealthier, urban, and not wanting something run-of-the-mill”. Eine ambitionierte Vision, die sich im neuen Visual Design widerspiegeln soll.
Austauschbar statt Aufregend
Die visuelle Transformation unter der Leitung von Brand Design Director Richard Stevens, der von MAP Project Office zu Jaguar Land Rover (JLR) wechselte, ist in ihrer Radikalität durchaus bemerkenswert: Das ikonische »Growler«-Emblem – jahrzehntelang prägendes Element auf Kühlergrill und Motorhaube – wurde komplett abgeschafft.
Das neue Design-System umfasst:
- Eine minimalistische, geometrische Wortmarke in Lowercase (außer dem »G«)
- Ein »Strikethrough«-Element als Key Visual
- Einen überarbeiteten »Leaper« als Emblem
- Ein Monogramm mit den sich spiegelnden Buchstaben »J« und »R«
Stevens beschreibt die neue Markencharakteristik als »exuberant Modernism« (dt. überschwängliche Modernität) – »It’s about this timelessness that’s seen as contemporary, but has a newness and familiarity to it.« Doch genau hier offenbart sich meiner Meinung nach die grundlegende Schwäche des Rebrandings.
JLR’s Masterplan: Vom Autobauer zur Lifestyle-Company
Die neue Wortmarke mit ihren durchgehend abgerundeten, geometrischen Formen und dem Google-ähnlichen “G” könnte problemlos auch einer Beauty-Brand oder Hotel-Chain zugeordnet werden. Sie steht in krassem Kontrast zum scharfkantig gestalteten Leaper, der als einziges Element noch die ursprünglichen Brand Values irgendwie transportiert.
Besonders fragwürdig erscheint für mich die Wahl der neuen Corporate Colors: Eine Palette aus Primärfarben (Gelb, Rot und Blau), die mich sofort an kunterbunte Babyartikel erinnert, als an eine Luxury Automotive Brand. Die Kombination der Farben, die »rund gelutschten« Formen der Wortmarke und das Monogramm, was mich sofort an zwei Türgriffe erinnert, lässt jegliche Premium-Anmutung vermissen. Eleganz, Leistung und technologische Innovation? Fehlanzeige!
Markenarchitektur im Umbruch
Das Rebranding ist Teil einer umfassenderen Transformation von JLR und laut Stevens, der das 800-köpfige Designteam leitet, nur der erste Schritt: »We don’t have any brands, we’re on the journey to create brands«, erklärt er. »They’re just four names at the moment.« Im Zuge dessen werden die Modellreihen Discovery, Defender und Range Rover voraussichtlich zu eigenen »Marken« aufgewertet und könnten ebenfalls ein umfassendes Rebranding erfahren.
Die ersten »Jaguar Stores«, beginnend in Paris, sollen Ende 2025 oder Anfang 2026 die neue Markenausrichtung physisch erlebbar machen. Das In-house-Team ist auch für das Design dieser Retail-Environments verantwortlich.
Design follows Trends: Verliert Jaguar seine Markenidentität??
Die strategische Neuausrichtung von Jaguar mag aus Business-Perspektive nachvollziehbar sein. Das resultierende Corporate Design jedoch verfehlt die Essential Brand Values einer Luxury Automotive Brand: Statt die angestrebte Premiumpositionierung visuell zu unterstützen, verliert sich das neue Design in belangloser Zeitgeist-Ästhetik.
Die begleitende Brand Communication mit ihrem augenscheinlichen Diversity-Framing wirkt dabei wie der verzweifelte Versuch, eine jüngere, urbane Zielgruppe anzusprechen – ohne dabei authentische Markenwerte zu transportieren.
Ob diese radikale Transformation der Markenidentität die anvisierten »independently minded« Luxuskäufer überzeugt, wird sich zeigen. Aus Corporate Design-Perspektive jedenfalls reiht sich Jaguar damit in die wachsende Liste von Brands ein, die charakteristische Designsprache gegen austauschbare Modernität eintauschen.
Bildquelle Titelbild: Jaguar Land Rover